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Ängste sind wissenschaftlich noch immer unterschätzt

Emotionen im Allgemeinen und Ängste im Besonderen sind für die Wissenschaft hoch interessant, jedoch nach wie vor vielfach unterschätzt. Zu diesem Fazit kamen die Referent/innen und Teilnehmer/innen der Fachtagung „Angst im Sozialstaat – Sozialstaat in Angst“ am 22. und 23. Juni an der HWR Berlin.

06.07.2017

Emotionen im Allgemeinen und Ängste im Besonderen sind für die Wissenschaft hoch interessant, jedoch nach wie vor vielfach unterschätzt. Zu diesem Fazit kamen die Referent/innen und Teilnehmer/innen der Fachtagung „Angst im Sozialstaat – Sozialstaat in Angst“ am 22. und 23. Juni an der HWR Berlin.

Die von Prof. Dr. Sigrid Betzelt (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften) in Kooperation mit Prof. Dr. Ingo Bode (Universität Kassel) als Jahrestagung der Sektion „Sozialpolitik“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie organisierte Veranstaltung war mit rund 90 Teilnehmer/innen sehr gut besucht. Es wurde rege gefragt, kommentiert und diskutiert.

Mit zwölf Vorträgen, darunter den drei Keynotes renommierter Sozialforscher/innen wie Prof. Dr. Heinz Bude (Universität Kassel) und Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg (Universität Bremen) sowie der Historikerin und Volkswirtin Prof. Dr. Dorothea Schmidt (ehemals HWR Berlin), einer Podiumsdiskussion mit vier Fachpolitiker/innen aus dem Bundestag und dem neuen Format „Projekte im Dialog“ war das Programm reich bestückt und bot zahlreiche Anregungen.

Es erwies sich als äußerst fruchtbar, das Thema „Angst“ quer über verschiedene sozialpolitische Felder und aus unterschiedlichen Blickwinkeln auszuleuchten. Mehrere Referent/innen bezogen sich auf soziologische „Klassiker“ wie Bourdieu und Foucault, um zu zeigen, welche Ängste sich wie in der Sozialstruktur niederschlagen – vom „Dienstleistungsproletariat“, über Arbeitslose bis zu den Wohlhabenden –,  und wie sie durch Sozialpolitik (z.B. Sanktionen in „Hartz IV“ oder die Rentenpolitik) geradezu mobilisiert werden können.

Deutlich wurde auch, dass es im öffentlichen Diskurs nur gewisse Ängste – so wie etwa die viel beschworene Abstiegsfurcht der Mittelschichten – zu gesellschaftlicher Relevanz bringen, und dass selbst die moderne Kindheit(spolitik) stark von (vermeintlichen wie realen) Ängsten durchzogen wird, was zwar zu einer stärkeren behördlichen Kontrolle vor allem ärmerer Familien führt, deren materielle Lage aber nicht verbessert.

Zum Schluss bestand Einigkeit darin, dass Emotionen allgemein und Ängste im Besonderen für die Sozialforschung hochinteressant, aber wissenschaftlich vielfach unterschätzt sind – auch weil sie von den hegemonialen rational choice-Ansätzen missachtet werden.

Die Beiträge der Tagung werden in einem durch die beiden Organisator/innen herausgegebenen Sammelband bei Nomos in der Reihe HWR-Forschung veröffentlicht.