Neuigkeit | Auszeichnung

Rechtsprofessor und Jazzpianist

Prof. Dr. Sebastian Schunke wurde als erster deutscher Künstler mit dem kubanischen Grammy »Premio Cubadisco 2022« geehrt. Der Rechtsprofessor ist auch Diplom-Pianist. Ein Interview.

19.07.2022

Foto: Yander Zamora

Dr. Sebastian Schunke ist Professor für privates Wirtschaftsrecht an der HWR Berlin. Aber das ist nicht seine einzige Profession. Im Mai 2022 wurde ihm in Havanna der wichtige Musikpreis Premio Cubadisco 2022 in der Kategorie „Premio Internacional“ verliehen. Eine Wertschätzung die nur Künstler*innen zuteil wird, die sich auf besondere Weise mit der kubanischen Kultur auseinandergesetzt haben

Professor für Wirtschaftsrecht und Jazzmusiker: Wie bringen Sie diese beiden Genres und Berufe unter einen Hut? Schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust?

Es ist wirklich wie zwei Herzen, die an sich auch noch in unterschiedlichem Takt zu schlagen scheinen. Es war dann auch nicht immer ganz einfach, im „wahren Leben“ die beiden Genres und Berufe unter einen Hut zu bekommen – als ich zum Beispiel Referendar in Berlin war und gleichzeitig an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ mein Jazzstudium absolvierte und mein Jura-Ausbilder meinte, als ich ihm von der bestandenen Aufnahmeprüfung erzählte, das „ginge nicht, nun sei mal Schluss mit der Musik“. Es gab aber auch ganz tolle Zeiten, als ich später meine Doktorarbeit an der Humboldt-Universität schrieb, dort wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem ehemaligen Tänzer Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke war und dann einfach nur über den wunderschönen Gendarmenmarkt gehen durfte, um an der „Hanns Eisler“ zu studieren.

Da habe ich tatsächlich begonnen, es als großen Luxus zu empfinden beide Welten leben und erfahren zu dürfen. Das hat sich dann mit der Rechtsprofessur an der HWR Berlin fortgesetzt. Das große positive Feedback in der Kolleg*innenschaft und bei den Studierenden ist wirklich toll und so genieße ich es, mich in den beiden Genres herauszufordern und diese zu leben. Dieses „Doppelleben“ führt auch immer wieder zu witzigen und netten Momente, als ich beispielsweise für das deutsche Generalkonsulat in San Francisco mehrere Konzerte in Amerika spielen durfte und mich der Generalkonsul fragte, ob ich „der Sebastian Schunke“ sei. Ich wusste nicht so recht, was er mit „der“ meinte und dann sagte er mir, dass ich im letzten Semester seinen Sohn im privaten Wirtschaftsrecht unterrichtet habe.

Foto: Ariel Cecilio

Kultur, Medien und Recht ...

Es gibt ja auch inhaltliche Überschneidungen – in meinem Kurs Medien- und Entertainmentrecht sprechen wir über Fragen von der rechtlichen Zulässigkeit von Samples, dem Phänomen der Referenzkultur und deren rechtlichen Implikationen, diskutieren Fragen von Cultural Appropriation. Dies sind auch Themen, die mich als Musiker direkt beschäftigen. Und so sehe ich mit zunehmendem Alter ;-), dass viele Themen eng miteinander verbunden sind – und man das alles gar nicht so trennen sollte, wie ich es auch viele Jahre selbst gemacht habe. Ich dachte immer: So jetzt bist du als Musiker unterwegs und jetzt als Jurist.

Die Rechtsprofessur hat mir da die Augen geöffnet und mir klargemacht, dass interdisziplinäre Fragestellungen sehr spannend und wesentlich sind und ich diese deshalb mehr und mehr zum Kern meiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung in meinem Forschungsbereich „Kultur und Medien“ mache. Da helfen die beiden Herzen! Kurz, ich probiere die „Theorie der beiden Herzen“ als EIN spannendes Lebens- und Wissenschaftsfeld zu betrachten. Ich habe das große Glück, sowohl die theoretische als auch die praktische Seite leben zu dürfen, und da hat die Offenheit der HWR Berlin einen sehr großen Anteil daran, dass ich dieses mit Freude leben darf.

Warum Kuba und Latin-Jazz?

Seit meinem sechsten Lebensjahr hatte ich Unterricht in klassischem Klavier – dann, mit 13 Jahren, hatte ich das große Glück, zusätzlich einen tollen Lehrer im Jazzklavier zu bekommen, der ein absoluter Fan von Latin-Jazz war. Es war auch damals die Zeit in den 80er Jahren, als dieses Genre in meiner Heimatstadt Hannover sehr gelebt wurde. Große Künstler aus Kuba und Puerto Rico wie Irakere, Eddie Palmieri, etc. spielten auf den Festivals in Deutschland.

Diese Stilrichtung des modernen kubanisch-lateinamerikanischen Jazz hat mich fasziniert und sehr angesprochen. Da ist es dann im Grunde ähnlich mit den beiden Herzen – das starke rhythmische Element von kubanischer und lateinamerikanischer Musiktradition auf der einen Seite und die unglaubliche harmonische und klangliche Vielfalt der europäischen Musikkultur auf der anderen. Beide Elemente zu verbinden, war dann schon früh stets Kern meiner musikalischen Reise.

Foto: Arley Perera

Wie verlief die Preisverleihung, was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Die Preisverleihung werde ich nie vergessen. Die Woche unmittelbar vor der Preisverleihung war ich in Matanzas, um neue CD-Aufnahmen mit einer fantastischen kubanischen Folklore-Rumba-Formation „Los Munequitos de Matanzas“ zu machen. Diese Woche allein war schon so bewegend und intensiv, dass ich gar nicht mehr an die Preisverleihung gedacht hatte. Ich wusste zwar, dass ich nominiert war, aber da bis dato noch nie ein deutscher Künstler diesen Preis verliehen bekommen hatte, rechnete ich nicht damit.

Ehrlich gesagt wusste ich noch nicht einmal, wann und wie dieser Preis im Rahmen des Cubadisco Festivals verliehen werden sollte. Ich war auf dem Weg von Matanzas nach Havanna, als ich die Nachricht erhielt, dass ich bitte zu der großen Pressekonferenz im Hotel Nacional de Cuba kommen sollte. Es war sehr warm. Ich dachte, das sei nur eine „normale Pressekonferenz“ und wäre fast in Shorts dort aufgetaucht. Zum Glück wurde ich in letzter Minute noch darauf hingewiesen, dass ich mir schon was „Richtiges“ anziehen solle.

Es war ein wunderschöner Saal. Offizielle Vertreter der kubanischen Kulturbehörde, die Organisatoren des Festivals, Musikkritiker, Musiker, das kubanische Fernsehen und sehr viel lateinamerikanische Presse waren anwesend. Der Saal war komplett gefüllt. Nach vielen Ehrungen und Reden - zum Glück verstehe ich Spanisch – wurde plötzlich der „Premio Internacional“ vorgestellt – und es ertönte mein Name!!! Alle Augen richteten sich auf mich. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich nunmehr den „Premio Internacional“ verliehen bekommen hatte. Ich stand also auf, nahm diesen wunderschönen Preis entgegen, alle Kameras auf mich gerichtet – und es verschlug mir die Sprache – zu gerührt war ich. Zum Glück kam die Sprache wieder zurück. Und es war trotzdem wie in einem Traum, dass ich nun dastand, den Preis in der Hand, und eine Dankesrede auf Spanisch hielt – improvisiert!

Ein Traum wird wahr

Warum wie in einem Traum? Wenn man sich seit seiner frühen Jugend – wie gesagt, mit 13 Jahren fing ich an – intensiv mit der kubanischen Kultur beschäftigt, man dann musikalisch seinen eigenen Weg in der Auseinandersetzung mit dieser und der eigenen europäischen Kultur sucht und dann 35 Jahre später, von diesem Land den wichtigsten Musikpreis verliehen bekommt, ist das unglaublich berührend und hat mich mit viel Dankbarkeit aber auch Stolz erfüllt. Dieser Preis wurde noch nie einem deutschen Künstler verliehen. Er wird nur an Künstler*innen vergeben, die sich in besonderer Weise für die kubanisch-lateinamerikanische Kultur verdient gemacht haben. Das ist einfach nur schön und tatsächlich sehr emotional, dass ich diesen Moment erleben durfte!

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