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Nachruf Norbert Nerlich

Die Hochschule trauert um Norbert Nerlich, der 36 Jahre die Geschicke der Hochschule maßgeblich und nachhaltig geprägt hat.

19.02.2024 — Prof. Dr. Franz Herbert Rieger (Rektor i.R.)

Foto: Cordia Schlegelmilch, 2012

Norbert Nerlich (10.07.1948 - 12.02.2024) war von 1978 bis 1990 zunächst als Verwaltungsleiter der Hochschule tätig. Im Zuge der Transformation der FHW Berlin in eine Kuratorialhochschule wurde er zum Kanzler ernannt und hatte dieses Amt bis zu seinem Ausscheiden Ende 2014 inne. Auch nach seinem Ausscheiden in den Ruhestand war er noch für einen längeren Zeitraum im Hochschulbereich tätig, und zwar im IQB (Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) der Humboldtuniversität Berlin.

Für seine Aufgaben als Verwaltungsleiter und Kanzler an der FHW Berlin (der späteren HWR Berlin) war Norbert Nerlich bestens gerüstet. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten juristischen Staatsexamen zählte er zu den Besten seines Jahrgangs.

In den 36 Jahren der Amtszeit von Norbert Nerlich vollzogen sich erhebliche Umwälzungen, die zum Teil von außen an uns herangetragen, zum Teil von uns selbst initiiert wurden. Die Veränderungen von außen betrafen hauptsächlich die Einführung neuer Steuerungsinstrumente, wie z.B. die Einführung der Hochschulverträge und der leistungsbezogenen Mittelzuteilung.  Ferner fand die Einführung gestufter Studienabschlüsse, die sog. Bologna-Reform, ebenfalls in diesem Zeitraum statt. Allein mit der Einführung der Hochschulverträge im Jahr 1997, die jeweils für mehrere Jahre gültig sind, wurden vom Kanzler der Hochschule sechs Verhandlungsrunden bestritten (einschließlich der Runde in 2014). Die leistungsbezogene Mittelverteilung findet jährlich statt. Die für die Hochschulverträge und den jährlichen Vergleich der Hochschulen im Rahmen der leistungsbezogenen Mittelverteilung erforderlichen Rechenkünste des Kanzlers haben die anderen Hochschulen gelegentlich ins Schwitzen gebracht.

An endogen induzierten Aufgaben waren es zahlreiche neue Studiengänge, ferner war es das ruckartige Wachstum durch die Eingliederung der früheren Berufsakademie in 2003 und die Fusion mit der FHVR im Jahre 2009.  Als Ergebnis dieser Entwicklung war die Hochschule von rund 3.000 Studierenden in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis Mitte der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts auf 10.000 Studierende gewachsen und die Zahl der Professuren hatte sich verdreifacht.

Das für eine solch rasante Entwicklung erforderliche Fachwissen, die notwen-dige Findigkeit und Geduld waren bei Norbert Nerlich zweifellos gegeben. Es ist aber auch ein gewisser Sportsgeist für eine solche Entwicklung erforderlich. Dass Herr Nerlich sportlich war, ist den meisten bekannt. Dazu gehören z.B.  Radrennfahren, Tennis und der Wassersport. Weniger bekannt ist eine weitere Sportart, die er gerne pflegt, nämlich die Kunst der Gratwanderung zwischen der Gefahr des jähen Absturzes und einem erfolgreichen Aufstieg.

Die Bauvorhaben der Hochschule, von denen es einige gab, waren sehr auf Kante genäht. Es begann mit der Aufstockung des Gebäudes Badensche Straße 50-51 (Haus B), bei dem durch einen Kriegsschaden das oberste Stockwerk zerstört war, dann kam die Instandsetzung der Badenschen Straße 52 (Haus A)  und der Wiederaufbau des Hauses V am Campus Alt-Friedrichsfelde, das bereits zum Abriss freigegeben war. Die Bauvorhaben warfen angesichts einer großen Finanzknappheit schwierige finanz- und haushaltstechnische Fragen auf, außerdem war eine Portion Mut erforderlich. Norbert Nerlich verfügte über die notwendigen Fachkenntnisse und die erforderliche Chuzpe. Außer der gebotenen Funktionalität der Bauten interessierte ihn darüber hinaus die ästhetische Seite der jeweiligen Bauvorhaben. 

Norbert Nerlichs Interesse galt aber nicht nur den Aufgaben eines Kanzlers im engeren Sinn. Er nahm an allen Entwicklungen der Hochschule und der Hochschulpolitik im Allgemeinen lebhaften Anteil, so dass sein Rat innerhalb und außerhalb der Hochschule sehr geschätzt wurde.

Es war aber nicht nur seine fachliche Kompetenz, die ihn für die Hochschule so wertvoll machte, vielmehr war auch der persönliche Umgang mit ihm stets erfreulich. Er besaß eine rasche Auffassungsgabe, war schlagfertig, verfügte über Humor und war gleichzeitig sehr bescheiden. Bei unterschiedlichen Auffassungen erwies er sich gelegentlich als zäher Gesprächspartner, der nicht leicht zu überzeugen war, hat aber nicht selten gerade dadurch zu belastbaren Lösungen beigetragen. In jedem Fall konnte sich die Hochschule auf seine Identifikation mit ihr und auf sein commitment verlassen.

Wir sind Norbert Nerlich sehr zu Dank verpflichtet und werden sein Andenken bewahren.