Neuigkeit | JUST - Join Us and Study

Ein Sprachkurs als Sprungbrett ins Studium

Auch im Wintersemester 2018/19 nehmen Geflüchtete wieder an einem Deutschkurs an der HWR Berlin teil. Das Angebot ist Bestandteil des Programms "JUST - Join Us and Study".

06.11.2018

„Was fällt euch spontan ein, wenn ihr an deutsche Geschichte denkt?“ Mit einem grünen Edding malt Martin Ortega einen Zeitstrahl an die Tafel, auf dem er die prägendsten Ereignisse aus 2000 Jahren deutscher und europäischer Geschichte eintragen wird. Die Antworten kommen prompt: „Zweiter Weltkrieg, Gastarbeiter, Wiederaufbau nach Kriegsende“ – das sind die ersten Assoziationen, die Mohammed Kadi zu diesem umfassenden Thema einfallen. Martin Ortega ist einverstanden, allein die Reihenfolge stimme nicht ganz, gibt er zu bedenken. Dass die ersten als Gastarbeiter bezeichneten Arbeitsmigrantinnen und -migranten erst in den späten 1950er Jahren nach Deutschland kamen, nachdem ein Großteil der Trümmer beseitigt und die Wirtschaftswunderjahre schon in vollem Gange waren: hierzu gibt der Lehrer nur einen vorsichtigen Hinweis. Die Antwort erarbeitet Kadi selbst – in nahezu fließendem Deutsch.     

Der historische Exkurs ist Bestandteil einer Unterrichtsstunde im Rahmen des aktuell laufenden Deutsch-Intensivkurses für Geflüchtete an der HWR Berlin. Zwei Monate lang, in 25 Unterrichtsstunden pro Woche, lernen die 16 Teilnehmenden die deutsche Sprache. Die Anforderungen sind beträchtlich, denn die Sprachkenntnisse der ausnahmslos aus Syrien stammenden jungen Menschen haben inzwischen ein hohes Niveau erreicht. Viele von ihnen sind bereits vor einigen Jahren aus ihrer durch Krieg zerstörten Heimat nach Deutschland geflohen, mussten sich Schritt für Schritt ein neues Leben in Berlin aufbauen. Sprachkurse haben sie alle schon erfolgreich gemeistert, jetzt muss mit dem Intensivkurs auf C1-Niveau die nächste Hürde genommen werden.

Ein Ziel fest vor Augen: studieren

Schwierig sei das, meint Sandra Haji. Die 29-Jährige stammt aus Qamishli im äußersten Nordosten Syriens, in Berlin lebt sie seit fünf Jahren. Obwohl sie beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk andere Geflüchtete bei der Wohnungssuche berate und außerdem ehrenamtlich für die Berliner Tafel arbeite – der Deutschkurs sei eine harte Prüfung für sie. Ein Ziel habe sie dennoch fest vor Augen: „Ich will studieren. Ich bin mir nur noch nicht sicher, für welchen Studiengang ich mich entscheiden werde.“ 

Das Kursangebot der HWR Berlin ermöglicht geflüchteten Menschen die Chance zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium. Im Rahmen des Programms „JUST - Join Us and Study“ stehen kostenlose Deutschkurse zur Auswahl, außerdem können Interessierte aus verschiedenen Lehrveranstaltungen und Kursen aus dem allgemeinbildenden Studium Generale wählen. Auch studienvorbereitende Themen stehen auf der Agenda, verrät Andreas Hirsch-Landau, der das Programm an der HWR Berlin koordiniert: „Ein Überblick über das deutsche Hochschulwesen, das oft sehr breite Fächerspektrum, Hilfestellung bei der Bewerbung, das sind alles Themen, für die wir einige Stunden pro Woche reserviert haben.“ Finanziert wird der Deutschkurs aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im DAAD-Programm INTEGRA.

Bereits einen Fuß in der Tür der HWR Berlin hat Tarek Alsafarjalani. Der 26-Jährige ist für den Bachelor-Studiengang Business Administration eingeschrieben. Derzeit bemüht er sich, nachträglich das für die Aufnahme eines Studiums an der HWR Berlin erforderliche C1-Niveau zu erreichen, das ihm bei Bestehen einer externen, zertifizierten Prüfung eine kompetente Sprachanwendung bescheinigen wird. So weit will auch Mohammed Kadi bald kommen. Sein Plan lautet Wirtschaftsinformatik, eingeschrieben ist er noch nicht. Gute Voraussetzungen, den anspruchsvollen Deutschkurs zu bestehen, bringt der junge Mann aus Aleppo mit: 2014, direkt nach seiner Ankunft in Berlin, fing er an Deutsch zu lernen, es folgte eine zweijährige Station als Berater bei einem Finanzinstitut. Nebenher absolvierte Kadi eine Ausbildung zum Rettungsschwimmer. Nur am Wissen über die deutsche Nachkriegsgeschichte wird noch gefeilt.