Virtuelle Beteiligung, reale Wirkung
Durch digitale Erlebniswelten mittels Virtual und Augmented Reality gesellschaftliche Teilhabe neu denken. Wie neue Technologien in Bildung, Gesundheit und öffentlichen Räumen eingesetzt werden können

Berlin, 1. August 2025 – Ein kleiner Schritt in die virtuelle Realität, ein großer Schritt für die gesellschaftliche Teilhabe: Der neue Sammelband „Virtuelle Beteiligung, reale Teilhabe. Transformative Technologien für eine inklusive Gesellschaft“ ist erschienen – ein Meilenstein für die Forschung zu immersiven Technologien und ihr Potenzial, das soziale Miteinander unserer Zeit zu gestalten.
Wenn Technik Teilhabe ermöglicht
Der Sammelband ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen und Projektpartnern aus der Praxis innerhalb der Programmlinie „Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen – Innovative Technologien für die digitale Gesellschaft“ (VAR2), die vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert wird. Er vereint auf über 500 Seiten 23 Beiträge aus 15 Projekten – alle mit dem Ziel, digitale Innovationen nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich wirksam zu machen.
„Technik ist kein Produkt, sondern ein Prozess, den alle mitgestalten können“, hebt Prof. Dr. Heike Wiesner hervor, Mit-Herausgeberin des Bandes und Professorin für Betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Gemeinsam mit Jana Tröge, Jan Stepczynski und Prof. Dr. Christoph Runde (Virtual Dimension Center Fellbach) verantwortet sie das Begleitprojekt „Living-Lab XR-Interakt“, das neue partizipative Entwicklungsansätze für immersive Technologien erprobt.
Der jüngst veröffentlichte Sammelband „Virtuelle Beteiligung, reale Teilhabe“ vereint 23 Beiträge aus 15 Projekten, die neue Anwendungen virtueller und erweiterter Realität für mehr Teilhabe in Bildung, Gesundheit und im öffentlichen Räumen erforschen und entwickeln. Foto: Sylke Schumann
Hochschule als Brücke zwischen Forschung und Gesellschaft
Der vorliegende Band bündelt die Ergebnisse von drei intensiven und erfolgreichen Projektjahren im Rahmen des Living Lab „XR-Interakt“ – „einem Vorhaben, das eindrucksvoll zeigt, wie Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam an Lösungen für eine digitale Zukunft arbeiten können“, sagte Prof. Dr. Jens Hermsdorf, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, und unterstrich in seinem Grußwort zur Vorstellung des Sammelbandes Ende Juli 2025 im Einstein Center Digital Future in Berlin die Verantwortung von Hochschulen für angewandte Wissenschaften: „Wir müssen die Brücke schlagen zwischen akademischer Lehre, praxisnaher Forschung und gesellschaftlicher Verantwortung. Die HWR Berlin sieht sich dabei als aktive Gestalterin des digitalen Wandels.“
Dass dieser Wandel längst nicht mehr in ferner Zukunft liegt, sondern bereits mitten im Alltag vieler Menschen angekommen ist, wurde während der Veranstaltung deutlich. Head-Mounted Displays (tragbare Anzeigegeräte, die Bildinhalte direkt vor den Augen der Nutzer*innen darstellen), Augmented-Reality-Brillen (für eine erweiterte Realität) und haptische Interfaces (Systeme, die Nutzer*innen durch gezielte physische Rückmeldungen das Gefühl von Berührung, Widerstand, Vibration oder Bewegung vermitteln) finden sich zunehmend in Bildung, Gesundheitswesen und öffentlichem Raum wieder – genau jene Bereiche, die auch im Sammelband im Fokus stehen.
Die Zukunft ist jetzt – und virtuell
Einen politisch-regulatorischen Blick auf die Entwicklung wirft Dr. Armin Jungbluth, Ministerialrat im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. In seiner Keynote „Die Zukunft ist virtuell“ zur Veröffentlichung der Publikation sprach er über die Notwendigkeit, die digitale und individuelle Souveränität im Umgang mit immersiven Technologien zu stärken: „Moderne Gesellschaften brauchen nicht nur technische Innovationen, sondern auch klare Rahmenbedingungen für ihre verantwortungsvolle Nutzung.“
Zwischen Gamification und Qualitätssicherung: AR-Projekte aus der Praxis
Beispiel für eine AR/VR-Anwendung ist der „Room of Horror“, entwickelt von den HWR-Absolventen Kaan Turan und Mohammed El-Bachir im Rahmen ihrer Abschlussarbeit unter Betreuung von Prof. Dr. Wiesner und Prof. Dr. Fatoumata Camara, Professorin für Wirtschaftsinformatik, insbesondere transformative Technologien, an der HWR Berlin. Das Projekt entstand in Kooperation mit dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin und simuliert ein Patientenzimmer mit eingebauten Fehlern – eine immersive Lernumgebung für Pflegeauszubildende, in der Handlungssicherheit und Qualitätsbewusstsein trainiert werden sollen.
Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning, Leiterin des ISP – Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation an der Fachhochschule Erfurt, zeigte sich beeindruckt: „Der Gamification-Ansatz senkt definitiv Einstiegshürden und macht komplexe Technologien erlebbar. Mittels der AR-Brille bewegt man sich automatisch wie in einem realen Raum.“
Forschung mit Wirkung
Der Sammelband belegt, wie transformative Technologien nicht nur Innovation, sondern auch Inklusion ermöglichen können – wenn sie frühzeitig und partizipativ entwickelt werden. Die Beiträge werfen zudem grundlegende Fragen auf: Wie können immersive Technologien dazu beitragen, gesellschaftliche Teilhabe zu stärken? Welche Anwendungsfelder sind besonders vielversprechend? Und wie kann verhindert werden, dass neue Technologien neue Ausschlüsse erzeugen?
Die Autorinnen und Autoren liefern keine einfachen Antworten, wohl aber vielfältige Perspektiven und Lösungsansätze. Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentlicher Raum erscheinen dabei nicht als getrennte Sphären, sondern als vernetzte Handlungsfelder für digitale Teilhabe.
Am Ende bleibt ein klarer Appell: Forschung muss gestalten – und zwar gemeinsam mit der Gesellschaft. Die virtuelle Beteiligung ist längst keine Zukunftsvision mehr, sie ist ein reales Mittel zur Teilhabe.