31.03.2023 — Pressemitteilung 14/2023Pressemitteilung 14/2023 | 31.03.2023

Startups

Female Founders – Frauen gründen

Gründen Frauen anders? Auf jeden Fall weniger. Laut Female Founders Monitor 2022 liegt der Gründerinnenanteil in Deutschland bei 20 Prozent. Ein Interview mit Sandra Thumm vom Startup Incubator Berlin

Network- und Marketing Managerin Sandra Thumm am Startup Incubator Berlin bringt im Gründungszentrum der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Frauen mit Gründungsideen und Vorbildunternehmerinnen zusammen für mehr Female Empowerment. Foto: Privat

Zur Person

Sandra Thumm ist Network- und Marketing Managerin am Startup Incubator Berlin (SIB Berlin), dem Gründungszentrum der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Sie organisiert Female-Empowerment-Veranstaltungen rund um Businesspläne und Finanzierung von Startups und bringt Frauen mit Gründungsideen und Vorbildunternehmerinnen zusammen. Darüber hinaus engagiert sich die ehemalige Gründerin des Portals schwangerinmeinerstadt.de für das Aktionsfeld Diversität der Berliner Startup Agenda 2022–2026.

Weshalb sollten Frauen gründen?

Warum sollten Frauen nicht gründen?

Offensichtlich sind die Hürden für Frauen im Startup-Ökosystem hoch, legt man die Zahlen des Female Founders Monitor 2022 zugrunde. Woran liegt das?

Wichtig ist hier die Differenzierung zwischen Existenzgründung (Selbständigkeit aus dem erlernten Beruf heraus) und Startup-Gründungen. Letzteres sind innovative Geschäftsideen mit Potenzial und offenen Gestaltungsmöglichkeiten. In der Existenzgründung mit einem mehr oder weniger festen Plan, dessen Umsetzung eigenes fachliches Knowhow voraussetzt, ist der prozentuale Anteil der Frauen höher. Dabei gründen Frauen bevorzugt solo. Um Investments zu erhalten, empfiehlt es sich jedoch, im Team zu gründen. Solopreneure haben es im Startup-Ökosystem generell schwerer. Bei der Finanzierung von Startups, die als Team gründen, ist das Risiko für Investoren und Investorinnen einfach geringer, auch schon in der Pre-Seed-Phase vor der eigentlichen Gründung.

Spielt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle, die Frauen davon abhält zu gründen?

Hier gibt es Vor- und Nachteile. Privat versicherte Selbständige erhalten zum Beispiel kein Mutterschaftsgeld. Glücklicherweise gibt es inzwischen starke Initiativen, um dies zu ändern. Auch die Politik hat das Thema auf der Agenda. Andererseits können mit einer guten (längerfristigen) Planung Familiengründung und Selbständigkeit gleichzeitig durchaus gut funktionieren, sogar Vorteile bringen. Ich habe selbst mit zwei kleinen Kindern gegründet. Das hat mir eine Karriere ermöglicht, die ich in Teilzeit als Angestellte nicht hätte verfolgen können. Die Selbständigkeit bot mir ausreichend Flexibilität und Zeit, um mich um meine Kinder zu kümmern und beruflich voranzukommen.

Liegt es auch an der Anschubfinanzierung?

Unbedingt! Es gibt einen Gender-Gap beim Kapital. Im Female Founders Monitor 2022 ist nachzulesen, dass während die befragten weiblichen Gründungsteams im Schnitt bisher 1,1 Millionen Euro erhalten haben, liegt das Finanzierungsvolumen unter den Männer-Teams mit 9,7 Millionen Euro um das 9-Fache höher. Mehr als vier von fünf Frauen identifizieren dabei ein strukturelles Problem und stimmen der Aussage zu, dass Gründerinnen bei Investmententscheidungen kritischer hinterfragt werden als Gründer. Zudem sind deutlich weniger Frauen als Business Angel aktiv. Nur 6 Prozent der Gründerinnen investieren selbst in Startups, bei den Männern sind es 16 Prozent.

Die Projekte von Gründerinnen werden bei Investmententscheidungen strenger unter die Lupe genommen als die von Männern?

Ja, häufig sogar von Frauen selbst. Frauen bewerten andere Frauen kritischer, bringen sich oft gegenseitig nicht so voran wie Männer sich untereinander. Studien belegen das. Konkurrenz unter Frauen zu ihren Ungunsten ist ein weit verbreitetes Phänomen und gleichzeitig ein Tabuthema. Hier müssen wir Frauen beginnen umzudenken, das Prinzip der Netzwerk-Solidarisierung adaptieren. Es geht um Gleichberechtigung in alle Richtungen. Wir müssen den Change hin zu einer diversen Arbeitswelt mitgestalten, indem wir alle voneinander lernen dürfen, uns gegenseitig unterstützen. Ehrlich gemeinte Frauennetzwerke sind dabei sehr relevant.

 Sandra Thumm (links im Bild) organisiert Female-Empowerment-Veranstaltungen rund um Businesspläne und Finanzierung von Startups, berät und begleitet Frauen mit Gründungsideen auf dem Weg zum eigenen Unternehmen. Foto: Privat

Das Problem ist erkannt, eine Lösung in Sicht?

Auch hier schaue ich optimistisch in die Zukunft. Akteure und Akteurinnen im Startup-Ökosystem gehen die Themen Gender Gap in all seinen Facetten und Netzwerke sehr engagiert an. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Akademien für Female Business Angels und Female-Investors-Netzwerke, die Gründerinnen gezielt ansprechen können. Außerdem sind andere Investors Networks ausreichend sensibilisiert, so dass sie grundsätzlich nur gemischte Jurys entscheiden lassen. Dies ist aus meiner Sicht der Schlüssel – die Mischung von Akteuren und Akteurinnen. Das ist das Ziel aller Initiativen.

Welche Rahmenbedingungen braucht es für mehr Gründerinnen?

Vier von fünf Frauen sehen bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum als zentralen Hebel zur Stärkung des Startup-Ökosystems – unter den Männern nur jeder Zweite. Um Gründerinnen in Deutschland zu stärken und diesen Weg für mehr Frauen zur echten Option zu machen, müssen wir an die strukturellen Rahmenbedingungen ran. Dies ist Teil der Aufgaben der Startup Agenda Berlin sowie diverser anderer Initiativen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und von der bga – Bundesweite Gründerinnenzentrale. Es ist schon viel Bewegung in die Sache gekommen.

Wie bringt man Frauen dazu, diese besseren Rahmenbedingungen für sich zu nutzen?

Ein Thema sollte man nicht außer Acht lassen: Die Inspiration für Gründung als Karriereweg sollte schon deutlich früher als an der Hochschule beginnen, Entrepreneurship schon in Grundschulen und Oberschulen eingebunden werden. Dafür engagiert sich zum Beispiel Professor Dr. Sven Ripsas von der HWR Berlin mit dem Network for Teaching Entrepreneurship Deutschland (NFTE Deutschland), einem Entrepreneurship-Programm für Lehrende und Schüler*innen. Als Gründungszentrum beteiligen wir uns am „Girls Day“ mit dem Thema „Gründung als Karriereweg“. Die HWR Berlin organisiert jedes Jahr gemeinsam mit dem Verein Berliner Wirtschaftsgespräche einen Wirtschaftsführerschein für Schüler und Schülerinnen. Auch hier steht Gründung und Selbständigkeit als Berufsperspektive auf der Agenda.

Sie haben selbst gegründet. Was hätten Sie gern gewusst, bevor Sie den Schritt in die Selbständigkeit gegangen sind?

Meine Gründung liegt schon 12 Jahre zurück. Das großartige Startup-Ökosystem, das sich seitdem in Berlin etabliert hat, hätte ich mir damals gewünscht. Das Berliner Startup Stipendium zum Beispiel unterstützt ideal beim Gründen. Heute muss man nicht solche Existenzängste haben wie früher, es gibt hervorragende Förderprogramme. Ich hätte in meiner Gründungsphase gern mehr über Angel Investments gewusst und wie man einen Exit plant. Das alles kann man heute in einem Gründungszentrum lernen, erhält professionelles Coaching und Mentoren und Mentorinnen an die Seite, wenn man möchte. Das inzwischen allgegenwärtige Netzwerkmanagement hätte mir auch enorm weitergeholfen.

Wenn Sie Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen zu gründen, nur einen Tipp geben könnten, welcher wäre das?

Gründer*innen sollten viel Arbeit in ihr Netzwerk investieren und das nicht nur nach Sympathie, auch mit einer Strategie. Wen möchtet ihr kennenlernen und warum? Business Angels oder Professor*innen sind auch sehr gute Mentor*innen. Manchmal ist Knowhow viel wertvoller als ein Investment.

Wie unterstützt der Startup Incubator Berlin Gründungsinteressierte und hier besonders Frauen und weshalb?

Wir haben uns für unsere Förderprogramme selbst eine 50-Prozent-Quote als Ziel gesetzt – und es funktioniert! Darauf sind wir sehr stolz. Wir initiieren spezielle Formate wie Talks, um Frauen anzusprechen und dazu zu motivieren, sich vor ihrer Gründung für die Programme des Startup Incubator Berlin zu bewerben. Dazu zählt zum Beispiel der „HWR Female Founders Talk“. Wir bieten in Kooperation mit der Initiative „FRAUEN unternehmen“ eine Plattform für den Austausch von Gründungsinteressierten mit Vorbildunternehmerinnen. Ein weiteres Angebot ist der „Female Founders Finance Day“, bei dem wir zusammen mit der Berliner Sparkasse Gründerinnen ausführlich zu Finanzierungsmöglichkeiten und der Beantragung von Fördermitteln beraten.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job am besten?

Es ist mir ehrlich eine Freude, junge Unternehmer*innen mit meinem Netzwerk zu unterstützen und sie auf dem Weg zum Erfolg zu begleiten. Sie sind unsere Zukunft und haben beeindruckende Ideen und eine große Leidenschaft für ihre Geschäftsmodelle. Dieser Funke springt immer wieder über.

Frau Thumm, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 12 000 Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften – mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in über 60 Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin unterhält 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bei der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen und im Dualen Studium belegt die HWR Berlin Spitzenplätze in deutschlandweiten Rankings und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Die HWR Berlin ist einer der bedeutendsten und erfolgreichen Hochschulanbieter im akademischen Weiterbildungsbereich und Gründungshochschule. Die HWR Berlin unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

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