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Im Land der Zufriedenheit

Prof. Dr. Christine Bartsch ist für ihr Auslandsforschungssemester nach Dänemark gereist. Im folgenden Beitrag berichtet sie, wie die Reise in den Norden sie und ihre Forschung inspiriert hat.

15.09.2023 — Prof. Dr. Christine Bartsch

Impression vom Strand. Foto: privat

Nachdem ich im Wintersemester 2022/23 die Leitung eines Forschungsteilprojekts übernommen hatte, habe ich mich sofort um die Antragstellung für ein Forschungssemester gekümmert und hatte tatsächlich großes Glück, dass dieser Verwaltungsakt genau rechtzeitig ins Rollen kam, um mir ein solches zu ermöglichen. Ein Sommersemester im geliebten Ausland – das war mein Wunsch, weil ich aus Erfahrung besonders außerhalb meines gewählten Lebensmittelpunkts die höchsten kreativen Spitzen erleben kann. Die Selbstentdeckung im zunächst Unvertrauten inspiriert mich extrem! Doch das sog. Ausland ist riesengroß, wie also sollte ich da den richtigen Ort finden? In einigen Ländern habe ich schon zeitweise gelebt, zahlreiche kenne ich gar nicht. Mit dem direkt an Deutschland angrenzenden Land im hohen Norden verbindet mich laut Familienfotoalbum seit frühester Kindheit eine tiefe Liebe, die bis heute anhält, weshalb die Wahl auf Dänemark fiel.

Im diesjährigen World Happiness Report steht es zwar „nur“ an zweiter Position, seit Durchführung dieser weltumspannenden Untersuchungen hält es dafür aber seine outstanding position in den oberen Rängen und wird lediglich ab und zu durch seine skandinavischen Nachbarn von Platz eins verdrängt. Schauen wir uns die Beurteilungskriterien, nach denen die Menschen das entscheiden, näher an, so stellen wir fest, dass es in Dänemark offenbar eine große soziale Unterstützung, ein hohes Pro-Kopf-Einkommen, eine gesunde Lebenserwartung, eine ausgesprochen hochrangige medizinische Versorgungsstruktur, eine als angenehm empfundene (Entscheidungs-) Freiheit und Großzügigkeit und die Abwesenheit von Korruption gibt. All diese Faktoren entscheiden über das Gefühl von Zufriedenheit, und das kann ich vom allerersten Moment meines Aufenthalts bis zum Schluss nur bestätigen.

Bereits beim Grenzübertritt fühlt sich das Autofahren wie ein entspannter Roadtrip an. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass vergleichsweise wenige Fahrzeuge unterwegs sind und diese in gemäßigtem Tempo dahingleiten, sondern wird vor allem durch eine spürbare Rücksichtnahme deutlich. Gemeinschaft spielt bereits auf der Autobahn auf dem Weg zum ersehnten Ziel eine große Rolle. Das Ankommen in der zweitgrößten Stadt, deren Besiedlungsgeschichte sogar etwas weiter zurückreicht als jene der Hauptstadt, fühlt sich tatsächlich ausgesprochen frei an. Vor allem, wenn die Altstadtbehausung den freien Blick auf den imposanten Hafen zulässt, duftet es förmlich nach großer Freiheit.

Es ist aber nicht nur das Ankommen, das wunderschön ist, sondern der gesamte dänische Alltag, der in dieser architektonisch äußerst beeindruckenden Universitätsstadt direkt am Meer etwas Beschwingtes hat. Die teils autofreien Straßen gefüllt mit fahrradfahrenden Personen, die schmalen Fußwege, auf denen sich Menschen in reger Betriebsamkeit sehr nah kommen, ohne sich anzurempeln, die zahlreichen öffentlichen Plätze mit frei zugänglichem WLAN und urgemütlichen Home-Office-Strukturen im typischen Jacobsen-Design vom feinsten, wie dies z.B. das DOKK1 mit Meeresblick für all seine Besucher*innen kostenlos bereithält. Überall geht es um Gemeinschaft, um Begegnung, um Teilhabe, um Zusammensein und Teilen. Wer denkt, dass die dänische Bevölkerung immer nur im hyggen Zuhause herumhockt, lernt hier die feierlustigen, begegnungsfreudigen und bzgl. des Meeresbadens hartgesottenen Menschen kennen, die – wann immer sie dir begegnen – ein Lächeln auf den Lippen haben. Stimmt nicht? Na, dann überzeugt euch mal selbst davon.

Kindheitserinnerung aus dem Familienalbum. Foto: privat

Ob im Norden oder im Süden der Stadt, überall grenzen feinsandige oder kieselige, von Heckenrosen gesäumte und Dünen begrenzte Strände an diese lebendige Stadt und laden zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Strandschlaf, -spaziergang oder Kaltbad ein. Wer hier nicht zufrieden ist, hat möglicherweise sehr persönliche Gründe dafür. Mein Gefühl in dieser sprachlich für mich durchaus herausfordernden Gemeinschaft war tief berührendes Glück. Dazu haben auch meine Montagabendgruppenmeditationen im buddhistischen Tempel und meine regelmäßigen Besuche des altehrwürdigen Swømbads beigetragen, wo ich direkt und völlig vorbehaltlos freudig winkend aufgenommen wurde und die ich sehr vermissen werde.

All diese Umstände haben dazu beigetragen, dass ich mich perfekt in meine Forschungsarbeit vertiefen und diese frisch inspiriert und voller kreativer Energie gestalten und nebenbei noch zwei Artikel sowie zwei Tagungsvorträge publizieren und präsentieren konnte. Die Ergebnisse unseres einen Feldzugangs werden aktuell gerade zusammengetragen, die Datenerhebung der zwei anderen Feldzugänge vorbereitet, so dass ich nach meiner Rückkehr das HWR-Team direkt bei der Feldarbeit unterstützen kann. Wenn wir im nächsten Jahr unsere Ergebnisanalyse beendet und alles präsentiert haben werden, blicke ich auf eine der schönsten Lebens- und Arbeitserfahrungen zurück, die ich auf gar keinen Fall missen möchte und die mich für immer begleiten werden. Meine kurze Schilderung eines traumhaft schönen Forschungssemesters im nahen Ausland mit weltumspannender Digitalanbindung darf gerne inspirierend wirken. Nichts kann eine solche Erfahrung ersetzen, auch keine noch so gut gemachten Simulationsszenarien mit VR-Brille.